Donnerstag, 2. Juni 2016
Hartnäckig (Berlin, den 20.1.2016)
Ich hatte am Sonntag ein schönes Konzert im Zimmer 16, mit nicht enden wollenden Zugaben. Spielte 1 1/2 Stunden durch...der Veranstalter wollte dass ich nur ein Set mache..."Du kannst ruhig noch immer weiter spielen!" Gunnar verteidigte mich ritterlich: "Lia singt und spielt Klavier in einem durch...in ihrem Soloprogramm kann sie sich keine Sekunde ausruhen...da braucht sie doch 'ne Pause zwischendrin!" - " Oh ja, das habe ich gar nicht bedacht", meinte der Veranstalter dann doch einsichtig. Aber da hatte ich schon mein ganzes Programm durch. Am meisten hat mich gefreut, wie souverän Marie "Come rain, come shine" mit mir zusammen im Duett gesungen hat.

Nach dem Konzert brach dann die Erkältung auch bei mir wieder aus. Hatte ich doch einem Ansturm von Viren (durch Gunnar, Marie und meine Singschüler...) bis dato eisern entgegenkämpfen können...gab in der Nacht zu Montag mein Immunsystem auf und das "Gebelle" fing wieder an. Was für eine hartnäckige Erkältung!
Ich nahm mir also Montag Vormittag erst mal eine Auszeit, indem ich, bei einem wundeschönen Spaziergang durch die sonnig verschneite Schneelandschaft des Britzer Gartens, meine Seele baumeln ließ und meine Lunge mit wohltuend kühler Frischluft verwöhnte- Herrlich!

Mit frisch aufgetankter Energie bin ich dann heute ins Rathaus. Als ich gerade meine Gitarre aus dem Auto gezogen und auf die Schultern geschwungen hatte, hörte ich eine Stimme hinter mir: "Wo spielen sie denn jetzt bitteschön Gitarre?" Ich blickte in freundliche Augen und berichtete, was ich im Rathaus so trieb. "Ach nein, das ist ja einen tolle Idee. Ich bin auch Deutschlehrer und ich koordiniere den Unterricht im ICC. Was für ein Zufall, sind sie ausgebildet?"
"Ich bin Sängerin und habe mit Freuden bemerkt, wie viel leichter es die Flüchtlinge haben, in Kombination mit Musik und Rhythmus Deutsch zu lernen."

"Darf ich sie bitte anschreiben, damit sie ihr Lernkonzept mal im ICC vorstellen können." -
"Klar" , sag ich und gebe ihm meine Visitenkarte mit dem Beisatz, dass ich freischaffende Künstlerin bin und meine Webseite eine Infoseite über mich und meine Musik ist, aber kein Lernkonzept demonstriert. "Nein, sicherlich, das verstehe ich. Ihr Konzept können sie ja dann persönlich vorstellen." - "Ja gerne...ich muss jetzt leider ... die Frauen warten auf mich..." - "Das freut mich, ich melde mich bei ihnen!"

Jetzt aber schnell einschreiben, Karte holen und rauf in den Frauenraum. Es ist brechend voll. Muna hilft mir beim auspacken der Gitarre und los geht´s. Wir arbeiten eine Stunde. Ein Gewusel...Gerappel...Gezappel! Immer wieder versuche ich, mit kräftiger klassischer Gesangstimme, wenn`s zu dolle wird, für Ruhe zu sorgen..."Mensch Lia, die Frauen sind ja aus allen Wolken gefallen...was hast du nur für eine Power!"

Ich erzähle Muna, dass ich über meine/unsere Arbeit im Rathaus einen Tagebuch - Bericht schreibe. "Den Bericht solltest du unbedingt auf einen Blog ins Internet setzten...dass du mit den Frauen, Kindern singend Deutsch unterrichtest und es zudem noch aufschreibst ist eine Gabe, derer musst du dir bewusst sein. Deine positive Art und das, was du hier machst ist toll! Bitte teile es!" - "OK wenn Du meinst, ich will mich aber damit nicht profilieren, hab es eigentlich nur zu meiner Erinnerung niedergeschrieben." - "Quatsch, du berichtest doch einfach nur, was du erlebt hast und lässt somit die, die es lesen wollen an deinen Eindrücken teilhaben." Sie ist ziemlich hartnackig und lässt nicht locker, bis ich dann doch zustimme.- "Also gut!"

Bevor ich nach Mariedorf düse kauft Muna sich dann noch schnell meine "Sie lebt" CD..."Die höre ich mir heute Abend an!" Dann verabschiedet sich ein um die andere Frau bei mir mit einem warmherzigen "DANKE". Ich bin sehr gerührt!


In der Notunterkunft im AVAYA Mariendorf haben sich heute nur die ganz Kleinen im Unterrichtsraum eingefunden und so arbeite ich spielerisch mit viel Klatschen das ABC und an einigen Wörtern mit ihren Silben. Ich habe festgestellt, dass sowohl die Frauen, als auch die Kinder neue Wörter besser aussprechen können, wenn sie die Silben mitklatschen.
Am Ende verabschieden wir uns. "Bis morgen!" - " Nein, morgen bin ich nicht da, aber nächste Woche wieder am Mittwoch!" - "OK. Bis dann!"

Ich gehe von freudestrahlenden Kindergesichtchen umringt zum Ausgang! SO EIN GLÜCK, denk ich und gehe beschwingt und mit einem Lächeln im Gesicht zum Auto.

Gleich kommt Marie nach Hause ... ich freu ich mich auf mein Mädchen!

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