Dienstag, 9. Februar 2016
So dankbar (Berlin, den 14.9.2015)
Nachdem mir heute morgen ein super Parkplatz (auf der Strasse, in der ich schon zweimal fündig geworden war) vor der Nase ...zack...weggeschnappt wurde, kurvte ich erstmal wieder tierisch in den Strassen um das Rathaus herum...nix da... kein Parkplatz in Sicht. Also ich kurzerhand wieder in MEINE Glückstrasse zurück...so leicht gebe ich nicht auf...und siehe da, meine Hartnäckigkeit wird belohnt...ich bekomme jetzt doch wieder einen Platz in meiner Lieblings- Parkstrasse.

Als ich mit meiner Gitarre zum Rathaus gehe fällt mir gleich wieder eine immense Menschenansammlung auf, die vor dem Infostand am Eingang des Hofes steht. Der Infostand ist aber zu. Nanu, denke ich, heute keine Registrierung möglich? Etwas erstaunt frage ich eine ältere Dame mit orange-roten Harren und grünem T-Shirt, ob sie darauf wartet sich am Infostand zu melden. "Infostand? Nee, der ist hier nicht...gehen se mal direkt zum Eingang und fragen da."

Also ich zum Eingang, wo mir ein sehr netter deutsch/ arabischer Wächter mitteilte, dass der Infostand nun rechts den Gang hinunter im Rathaus sei und ich mich dort anmelden könne. Na, erst war der Infostand im Hof, dann auf dem Bürgersteig vor dem Rathaus und nun also im Rathaus. Aller guten Dinge sind drei, sag ich und der Wächter gibt mir mit einem breiten Grinsen recht.

Auf meine Frage, ob es einen Grund gibt, weshalb der Infostand ständig seinen Standort wechselt, wissen die Damen am Infostand auch keine Antwort. Ich trag mich dann also wieder in die Liste ein und bekomme ein Umhängeschild auf dem ich meinen Namen schreibe. (Nächstes mal, sage ich mir, werde ich meinen Namen auf Arabisch schreiben)
Dann gehe ich mit meiner Gitarre in der Hand wieder durch den Hof ins Hauptgebäude, in den 3. Stock, vorbei an einer Putzfrau, die emsig die Böden schrubbt. Alles glänzt und riecht schön sauber!

Im Kinderzimmer angekommen, zieh ich meine Schuhe aus, begrüße die 4 Helferinnen (die keine Miene verziehen) und fange an zu singen. Die Kinder spielen emsig weiter, wobei das ein oder andere Kind ab und zu aufblickt und mich freudestrahlend ansieht und erkennt. Es klappern die Kästchen und rascheln die Gegenstände über den Boden. Der Raum wird voll und voller...bis kaum mehr ein Plätzchen übrig ist. Die Kinder scheinen wie von der Musik getrieben zu spielen. Nach und nach bildet sich wieder ein Grüppchen um mich herum. 5 Mädchen, ein kleiner Junge, eine Mutter mit Babymädchen. Wir singen Farben: grün, gelb, rot, pink... während das kleine 1 Jährige Babymädchen mit grün, pink gebundenen (antennenartigen) Zöpfchen (die im Takt mitwippen) mal um mich herumtanzt, dann auf der Gitarre schlägt, oder mit ihrem freudestrahlenden Lächeln mich inne halten lässt, um ihm übers Köpfen zu streicheln. Die Mutter dokumentiert/ filmt unseren Gesang auf ihrem Handy. Wir haben alle super Spaß!

Nach 1 Stunde verabschiede ich mich mit Luftküsschen und verteile Herzkarten...bis nächsten Montag...winke ich den Mädels zu...die mich gar nicht gehen lassen wollen.... und gehe gegenüber ins Frauenzimmer. Dort sitzen bereits ca. 10 Frauen in U-Form (darunter auch die Mutter mit ihrem süßen Babymädchen) um eine Tafel herum. Ich begrüße die Lehrerin, eine sehr nette deutschsprachige Araberin und setze mich mit meiner Gitarre neben die Tafel vor die Frauen.

Ich blicke in 10 paar dunkle Augen..."was kommt jetzt...gibt´ s etwa jetzt Musik?"
Die Lehrerin fragt mich, ob ich ein Lied mit Zahlen kann. "Na klar", sage ich, "benennen sie mir nur die Themen, die sie mit den Frauen machen wollen, und ich improvisiere ein Lied darüber." Die Lehrerin freut sich (verhalten)... "das ist ja schön!"
Und los geht´ s. Ich singe die Zahlen 1-10. 10 paar Augen fangen an zu strahlen...oh, das ist schön...die Frauen singen nach und nach mit! Erst geht`s ganz langsam 1, 2, 3,..... dann immer schneller ... huch, die Frauen kichern... nun ist es etwas zu schnell geworden... ich verlangsame das Tempo wieder.... so geht´ s prima! Das macht allen Spaß, die Lehrerin ist begeistert. Das klappt ja prima!

Kurz darauf schallt es rockig aus dem Frauenzimmer: "Wie heißt du?" - "Ich heiße..." - "Woher kommst du?" - "Ich komme aus dem Irak/ Syrien" ... "Wie geht es dir?" - "Mir geht`s (jetzt wieder) gut" (ich bekomme einen Kloß im Hals)...so macht lernen Spaß. Die Frauen sind begeistert!
Das kleine Babymädchen weicht die ganze Zeit nicht von meiner Seite. Wackelt, quietscht und turnt um mich herum. Auf einmal kitzelt es an meinen Füssen. Was ist das? ...Oh nein wie süß, das kleine Babymädchen benetzt meine Füße mit sanften Küsschen... Ich muss fast vor Freude weinen.....ich kann nicht mehr und halte kurz inne- ICH BIN SO DANKBAR!

"Montag, Dienstag, Mittwoch" ... nun rappe ich mit den Frauen die Wochentage...wer nun bis dahin etwas verhaltener war, blüht nun richtig auf !
Die Frauen wollen jetzt ALLE immer Musik... so wie mit mir, geben sie uns zu verstehen, wollen sie jetzt IMMER arbeiten.
Ich bekomme ein mulmiges Gefühl im Magen. Oh weia, jetzt bloß nicht die Lehrerin verprellen. Ich blicke verstohlen in ihre Richtung. Doch sie ist ebenfalls begeistert... ja das machen wir jetzt immer so... du kannst mit den Frauen von 12:00-13:00 Uhr dann alleine arbeiten/singen.. ich habe eh schon so viel zu tun und den Frauen gefällt das singen/lernen mit dir so gut!

Nach dem Unterricht stimmen zwei Frauen ein arabisches Folkslied an (ich gebe den Rhythmus auf der Gitarre) und die anderen klatschen. Die Stimmung ist jetzt ausgelassen!
Nun wird meine Postkarte mit arabischen Untertitel (wann ich das nächste mal zum singen komme) im Frauenraum, von den zwei Frauen, auf den Stundenplan geklebt.

Die Lehrerin gibt mir zwei Bögen mit Übungen, die ich bitte nächste Woche mit den Frauen machen kann. "Eigentlich haben wir ja auch die Frage: «Wo wohnst Du?» im Lernprogramm", meint sie (wir müssen beide schlucken und entscheiden uns dafür, diese Frage nicht mit ins Programm zu nehmen).

Dann möchte die Lehrerin von mir ganz schnell wissen, wie sie ihre Stimme schonen könne, denn sie sei schon chronisch heiser und hätte ständig Kehlkopfentzündungen. Na ...also, ich ihr gesagt, sie solle doch versuchen weiter nach vorne zu sprechen, da sie recht kehlig/ nach hinten spricht.
"Aber wie soll ich das denn tun?" - "Na, in die Maske, den Nasen-/Augenraum, hinein sprechen." - "Ach so..." (...aber so richtig hat sie das wohl nicht verstanden. Wie auch, das muss man in mehreren Jahren immer wieder üben...das geht nicht so auf die Schnelle).

Um 13:15 gehe ich fröhlich (mit der Dankbarkeit im Herzen durch meine Musik so viel Freude bereitet zu haben) mein Umhängeschild am Infostand abgeben und verabschiede mich bei dem freundlichen deutsch/arabischen Wächter. "Bis nächsten Montag..." - "Ja, Montag bin ich hier, dann singst´e aber auch mal wieder für uns alle im Hof, ok?"
"Ok wird gemacht...wenn`s Wetter schön ist!"

Im Auto kommen mir fast wieder die Tränen. -Ich bin so dankbar-

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