Montag, 8. Februar 2016
Und weiter geht´s ...(Berlin, den 7.9.2015)
Nach einem wunderschönen Wochenende mit der Familie, wir hatten Gunnar`s 40-sten ausgiebig gefeiert, waren wir alle (Mariella, Gunnar und ich) recht bematscht heute morgen. Nichts desto Trotz ist Mariechen schließlich unter viel Gezeter zur Schule und Gunnar mit knirschenden Zähnen, nach vergeblicher Schlüsselsuche, zu seiner Arbeit ins Amt.

Ich hatte mich gestern Abend dafür eingetragen, heute ins Rathaus Wilmersdorf zu fahren. Eigentlich wollte ich am Mittwoch gehen, aber der Timetable ist (erfreulicherweise) diese Woche für die Highlights, bis auf heute morgen, voll.
Hatte sich letzte Woche außer mir keiner dafür eingetragen, sah das diese Woche ganz anders aus!

Da Mariechen heute morgen über Bauchschmerzen klagte, wollte ich, falls sie mich anrufen würde, auf jeden Fall erreichbar sein und mein Handy mitnehmen. Nachdem ich etwas auf meiner klassischen Gitarre (die Seiten sind weicher) geübt/gespielt hatte, nahm ich das Handy zur Hand, es war ausnahmsweise mal aufgeladen. Mit müden Augen tippte ich den Pin ein ...falsch, keine Chance... nach 3 Fehlversuchen war nun die PUC dran, die ich natürlich nicht wusste...meine Rettung in der Not war (mal wieder) Gunnar.

Es war bereits 11:00 Uhr geworden und ich machte mich mit meiner leichteren/Konzert- Gitarre auf. Ich bekam diesmal direkt!!! einen Parkplatz (in der Strasse wo ich letzten Montag nach vieler Rumkurverei einen Platz gefunden hatte).

Ich ging Zum Rathaus, wo sich nun vor dem Hof, auf dem Bürgersteig, ein Pulk von fleißigen Helfern um den Infostand versammelt hatte! Als ich so auf den Infostand zuging begrüßte mich einer der Flüchtlinge, ein ältere Herr (der Schifferklavierspieler), den ich bereits vom letztem Mal kannte, mit einem freundlichen Händedruck. Ich mache heute wieder Musik, er nickte mir anerkennend zu! Am Infostand gab ich an, für was ich mich eingetragen hatte (das "Highlight" ging mir nun leichter über die Lippen) und bekundete, dass ich wieder gerne mit den Kindern singen würde. Die junge Frau am Infostand erkannte mich : "Toll, dass sie wieder da sind, sie haben ja so eine schöne Stimme!". Ich wollte wissen, ob ich das nächste mal in die Kleiderkammer Kinderklamotten abgeben könne. "Spielen/singen sie bitte lieber für/mit den Flüchtlingen, Kinderklamotten bekommen wir schon mehr als genug."
Na denne!...

Also bin ich wieder mit meiner Gitarre in der Hand durch den Hof zum Rathaus. Ich laufe gerade so zielstrebig auf den Eingang zu, da kommt mir ein junger Flüchtling entgegen. Zeigt auf die Gitarre...."Geschenk?" ... "Wenn ich dir die Gitarre jetzt gebe/schenke, kann ich nicht mehr für euch und mit euch singen und spielen, willst du das?" Erschrocken gibt er mir zu verstehen, dass er das auf gar keinen Fall möchte und blickt mir mit einem Augenzwinkern nach!

Ich bin dann (routiniert wie ich war!), erst mal in den falschen, 2.Stock, anstatt in den 3 Stock, ins Frauenzimmer. Hier waren mehrere Helferinnen versammelt und um eine Tafel herum standen mehrere Flüchtlingsfrauen. Eine seriös wirkenden deutschsprachige Araberin (eine Lehrerin?) kam mir entgegen, blickte auf die Gitarre in meiner Hand und meinte freundlich: "Sie machen Musik? Schön...aber wir machen jetzt Deutschunterricht mit den Frauen, da passt das nicht so recht mit der Musik." - "OK" sage ich, "kein Problem, dann geh ich mal ins Kinderzimmer gegenüber."

Im Kinderzimmer sitzen 4 Kinder, mit 3 Helferinnen um einen Tisch und kneten....etwas abseits sitzt eine schwangere Flüchtlingsfrau mit einem kleinen Jungen. Ich setze mich an meinen gewohnten Platz und fange an zu spielen und zu singen. Sofort richten sich die Kinderaugen erst verwundert...jedoch schnell begeistert auf mich. Sie nehmen sich wie von der Musik gelenkt (wieder) ihre Stühlchen und setzten sich um mich.

Nach und nach füllt sich der Raum mit immer mehr Kindern. Die schwangere Mutter blickt mich sanft und freundlich an. Ich improvisiere, erst nur vokal dann perkussiv...ein musikalisches Herantasten... das gefällt! Ich motiviere die Kinder mit zu machen ... "Salom" ..."Hallo!" - "Könnt ihr denn auch mitsingen?" - Die, die mitsingen bekommen eine Karte von mir mit Herzchen drauf gemalt! "Ich will auch eine Karte mit Herzchen", sagt eine von den Helferinnen... stellt sich hin und singt ein Lied welches ich nicht kenne. Also, jetzt schnell die Akkorde raushören und mit einstimmen!

Ein kleiner Junge (ca.5 Jahre alt) möchte dann auch mit mir singen und beginnt einen Sprechgesang auf Arabisch ...ich improvisiere, er wird immer mutiger und liegt gut in der Tonart...ich singe eine Harmonie dazu...Die anderen Kinder blicken erstaunt auf...der Kleine kommt so richtig in Fahrt..., da zischt ein ca. 9 jähriges Mädchen (wahrscheinlich seine ältere Schwester) auf Arabisch dazwischen... Ihre Mimik sagt er möge jetzt sofort aufhören!!...Wir machen unbeirrt weiter...jetzt fängt das Mädchen an laut dazwischen zu zetern... Ich gebe ihr zu verstehen, dass sie gerne mitmachen/singen kann, wenn sie möchte. Sie schüttelt aber vehement den Kopf! Der Kleine hört kurz danach auf zu singen.

Das Mädchen stellt arabische Musik auf einem Handy an und gibt mir zu verstehen, ich solle diese Musik auf meiner Gitarre spielen! Jetzt bin ich in der Zwickmühle...ich bitte das Mädchen, dichter an mich heran zu kommen, so dass ich die Musik besser hören kann und versuche die Akkorde rauszuhören...keine Chance...es will mir nicht gelingen... Dumm gelaufen, ich kann die Akkorde nicht finden und gebe dem Mädchen zu verstehen, dass ich leider keine arabische Musik auf der Gitarre spielen kann, bitte sie aber mir das Handy mit der Musik näher an mein Ohr zu halten und fange an, mit der Musik mitzusingen! Das Mädchen ist jetzt zufrieden und weicht mir von da an nicht mehr von der Seite.

Ich gehe dazu über, Zahlen, Farben, Tiere auf deutsch zu singen...ein grooviger Rhythmus lässt die Kinder mitwippen/ die Zahlen, Tiernamen, Farben mitsingen. Die Deutsch/Arabische Lehrerin blickt um die Ecke und nickt mir zu. Nach 1 Stunde packe ich meine Gitarre wieder ein und verabschiede mich von den Kindern (mit "Give me five" Handschlag) und den freiwilligen Helferinnen.

Kurz schaue ich noch mal im Frauenzimmer vorbei...da ist bereits der Unterricht vorbei ... einige Helferinnen, darunter die Deutsch/Arabische Lehrerin stehen noch beisammen. Freudestrahlend lässt die Deutsch/Arabische Lehrerin die andern Helferinnen wissen, dass ich soeben unglaublich mit den Kindern "abgefetzt" hätte. Sie fand das ganz toll!
- "Das müsste man auch mit den Frauen machen...dann würden die viel schneller die Vokabeln lernen! Komm doch bitte nächste Woche bei uns vorbei und dann bauen wir deine Musik in den Unterricht ein! Wir treffen uns nämlich regelmäßig Montags, Mittwochs und Donnerstags Vormittags. Denn die Flüchtlingsfrauen hatten uns gebeten ein beständiges Team zu bilden, weil der ständige Wechsel an Helfern sie verunsichert. Es wäre schön, wenn du von nun an mit dabei wärst!" - ! Hört, Hört!

Beim rausgehen musste ich schmunzeln, so dass die Security-Lady (eine stämmige junge Frau mit Nasenring), die jetzt am Ausgang stand, fragte: "Na, schön gesungen mit den Kindern? Welche Kinderlieder haste denn so gesungen?""Ich, ..." (wie soll ich das nun erklären?...) "na, ich habe improvisiert...Farben, Tiere Zahlen!"Der Nasenring hebt und senkt sich bedenklich, sie blickt mich verdattert an, so als hätte ich chinesisch gesprochen. "Na so: ", sagte ich und lege los! "Mann - oh - Mann so eine große Stimme hab ich jetzt nicht erwartet, was es nicht alles gibt!"Lächelnd gebe ich mein Namensschild draußen am Infostand ab und ziehe mit meiner Gitarre in der Hand zum Auto...Nächsten Montag komme ich wieder!

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